Unsere Entstehungsgeschichte
Tauchen Sie ein in die interessante Geschichte der Evangelisch-Lutherischen Kirche Gersfeld (Rhön).
1537
Lutherische
Reform
1785
Barockkirche
Gersfeld
Filme über die evangelische Kirche Gersfeld
Aufzeichnungen von Gottesdiensten finden Sie auf unserer YouTube-Seite.
Turmblasen in Gersfeld 2014
„Alles ist an Gottes Segen“
Georg Andreas Sorge (1703-1778):
Praeludium XXII B-Dur aus der „Clavier-Übung“
Gersfeld (Rhön)
Glocken der evangelischen Kirche
Geschichte der Barockkirche zu Gersfeld
1537 – Die Einführung der lutherischen Reformation
Die beiden ritterschaftlichen Bezirke Gersfeld und Tann wiesen zur Zeit der Reformation in ihrem wirtschaftlichen und politischen Gefüge weitgehend gleiche Züge auf. Gleicher Art waren auch ihre jahrhundertealten Autonomiebestrebungen gegenüber den beiden geistlichen Fürstentümern Würzburg und Fulda. Seit jeher hatte man in Gersfeld und Tann den machtpolitischen Druck beider zu fürchten gehabt. Eberhard von der Tann, ein Freund Luthers, stammte aus einem Geschlecht, das mit den Gersfelder Herren von Ebersberg eng verwandt und befreundet war. Er hatte am 2. Oktober 1529 am Marburger Religionsgespräch teilgenommen und war ein eifriger Verfechter der lutherischen Lehre, die er 1534 in seinem Herrschaftsbezirk gegen den Widerstand des Fuldaer Fürstabts Johann III. Graf von Henneberg einführte.
Die Einführung der lutherischen Lehre erfolgte in Gersfeld im Jahre 1537. Der Gersfelder Kirchenpatron Balthasar von Ebersberg, genannt von Weyhers, berief zusammen mit Balthasar von Steinau, genannt Steinrück von Poppenhausen, den Prediger Marcus Sebander, auch Eidmann genannt, in ihre Herrschaftsbezirke. Sebander war hier neun Jahre tätig, und als er 1546 nach Frankfurt-Sachsenhausen berufen wurde, verfasste er an seiner neuen Wirkungsstätte eigenhändig eine Chronik, in der er unter anderem folgendes über sein Wirken in der Rhön berichtete:
„Marcus Sebander, Eidman genant, von Steinaue, ist im 1546 jar von einem fursichtigen, weisen rath zu Frankenfurt her gein Sachsenhausen zu einem predicanten beruffen und angenommen worden und den 5 aprilis herkomen und ins pfarrhaus ingezogen. welcher als er in seiner jugend ein ordensmann im Predigerkloster gewest, hat er im aufgehenden wort Gottis solche bepstlereien verlassen und im jar, als man schreib 1526, mit willen und wissen herauskomen, sich im 1527 jar gein Fulda gethan, alda das wöllnweberhandwerk gelernet und getrieben und im 1528 jar sich beweibet, sune und döchtere in der ehe gezielet, dehren etzliche noch im leben sind. als aber die götliche sonn ire glenze jhe lenger jhe mehr ausbreitet, daß sich fursten und andere höhe stende, auch viel vom adel zu ir neigeten und das götlich wort annahmen, ist er von seiner hend arbeit durch die edlen und ernvehsten Balthasarn von Ebersberg, genant von Weyers zu Gersfeld und nachmals marschalk zu Fulda, und Balthasar von Steinau, Steinruck genant zu Pappenhausen inen und iren unterthanen disseits an der Röhne zu Wustensachsen, Reuelbach, Gersfeld, Hettenhausen, Motten, Pappenhausen und anderswo mehr das heilige evangelium zu predigen, sie von der pfaffereien abzuweisen, einen anfang und grund des götlichen worts zu legen mit sonderlichem vleise erbetten, gefoddert und bestetiget im 1537 jar und alda den laufe des evangelii mit Gottis gnaden, doch nicht ohn arbeit und muhe, aber fruchtbarlich bis in das 9 jar daselbst herumb volbracht und ob es wol im anfang etwas schwere war und fast sorglich, unsicher und fehrlich umb der umbliegenden herschaften willen der geistlichen fursten als bischoffs zu Wurzburgs und abts zu Fulda, so gabe Gott doch alle zeit seine gnade darzu, daß es furtginge, zunahme und wuchse je lenger je mehr, daß in seinem abscheid oder abzug und noch sechs dorfpfarren mit gelerten, woltuchtigen predicanten nach notturft versehen und versorget waren und noch sind; Gott sei ewig lob, amen.“
Im Wesentlichen waren es zwei Voraussetzungen, welche die Ausbreitung der lutherischen Lehre im Kirchspiel Gersfeld gewährleisteten. Zum einen war es der Schutz der Ebersberger, die sich zu dieser Zeit weitgehende Unabhängigkeit erkämpft hatten und die Aufnahme des evangelischen Bekenntnisses in ihrem Herrschaftsbezirk sorgsam überwachten. Zum anderen führte die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Missständen innerhalb der römischen Kirche zu einer freudigen Annahme des neuen Bekenntnisses und zu seiner zähen Verteidigung in Zeiten der Gegenreformation.
Text: Gerhard Ufholz
1785 – Evangelische Barockkirche Gersfeld
Es sind keine schriftlichen Nachrichten vorhanden, die von der Entstehung der Pfarrei Gersfeld Kunde geben. Auf der Stelle, auf der sich heute die barocke Gersfelder Pfarrkirche erhebt, stand im 11. oder 12 Jahrhundert ein Vorgängerbau, der mehrmals vergrößert und umgebaut wurde. Nach 1689 erachtete man derartige Maßnahmen wegen der fortschreitenden Baufälligkeit nicht mehr für sinnvoll und begann einen Neubau in Erwägung zu ziehen.
Durch Naturkatastrophen, Kriege und Krankheiten wie die Pest, sowie örtlicher Uneinigkeit über den Neubau, konnte erst im August 1780 mit den Bauarbeiten begonnen werden.
Die Planung und Leitung des Kirchenbaues übertrug man dem Baumeister Johann Kaspar Heym aus Ostheim. Die Sandsteine für das Gebäude wurden im Steinbruch am Wachtküppel bei Gersfeld gebrochen, das Bauholz stammt aus den Wäldern bei Jüchsen und Bibra nahe Meiningen sowie Nordheim im Grabfeld und Schleusingen im Thüringer Wald. In dem Ort Kippelbach bei Gersfeld sind 625 Tonnen Kalk für den Mörtel und in Rommers-Ziegelhütte etwa 20.000 Tondachziegeln für das Kirchenschiff gebrannt worden.
Das Mauerwerk vom Turm und Kirchenschiff war im September 1782 fertiggestellt und im Februar 1783 begann man mit dem Eindecken des Daches. 1784 wurde mit dem Aufsetzen des Turmgebälks und im Oktober mit der Eindeckung des fast 60 m hohen Turmes mit Schieferplatten begonnen. Gleichzeitig wurden die Arbeiten für den Innenausbau mit zwei in U-Form errichteten Emporen und dem Altar-, Kanzel- und Orgelbereich aufgenommen.
Betritt man heute die Kirche, überraschen die räumlichen Ausmaße und die künstlerisch aufwändigen Innenausstattungen des über zweihundert Jahre alten Gotteshauses. Der Blick fällt auf die mit vier Fenstern durchbrochene Chorwand, den fünfeckigen Kanzelkorb und den aus Rhöner Sandstein, prachtvoll hergestellten Altar. Acht Säulen mit korinthischen Kapitellen ergänzen die reich verzierte Chorwand.
Direkt über diesem Ensemble erhebt sich der Orgelprospekt mit den versilberten Pfeifen in verschiedenen Größen bis an die Kirchendecke. Konzept und Gestaltung der reich geschmückten Chorwand sind das Werk des Holzbildhauers Georg Gorten aus Bischofsheim i.d.Rhön und des Schreiners und Schnitzers Nikolaus Zitzmann aus Gersfeld. Am 17. Juni 1787 konnte die Orgel, erbaut von dem Orgelbaumeister Johann Michael Wagner aus Schmittfeld bei Schleusingen, mit ihren 30 Registern und ca. 2.000 Pfeifen zum ersten Mal gespielt werden. Auf der rechten Seite des Altars befindet sich die Patronatsloge für die ehemalige Familie von Ebersberg, heute die der Familie von Waldthausen und gegenüberliegend, links des Altars, die Loge der Pfarrfamilie.
An der Nord-, Ost- und Südwand des Kirchenschiffes sind die zweigeschossigen Emporen U-förmig errichtet. Sie werden im Brüstungsbereich von 28 marmorierten Säulen mit ionischen Kapitellen und Basen getragen. In dem Kirchenraum sind durch diese Bauweise ca. 1.100 Sitzplätze geschaffen worden.
An den Außenwänden sowie im Eingangsbereich des Turmes sind Wappen- und Grabsteinplatten aus der alten Kirche angebracht. Diese Sandsteinplatten stellen ein Zeugnis der Steinmetzkunst, des künstlerischen Ausdrucks der damaligen Zeit, aber auch der Lebensumstände in eindrucksvoller Weise dar. Durch das mit Sandstein verzierte Hauptportal mit geschnitzten Eichenholztüren, betritt man den Turm der unmittelbar durch eine weitere Türe mit dem Kirchenschiff verbunden ist. Rechts und links im Turm sind Treppen angeordnet, die den Zugang über zwei Etagen zu den Emporen und über weitere Treppen bis zu dem Turmuhrenbereich ermöglichen. Die alte Uhr aus dem Jahr 1785 hatte im Jahr 1899 ihren Dienst versagt, sodass eine neue Turmuhr angeschafft werden musste. Diese zeigte am 01. September 1899 zum ersten Mal die Stunden an.
Von hier aus windet sich ein schmaler Treppenaufgang zu dem Glockenraum, der mit fünf Glocken in unterschiedlichen Größen bestückt ist. Die kleinste Glocke mit dem Schlag Ton c` wiegt 280 kg, die Zweite Ton a` 470 kg, die Dritte Ton g` 673 kg, die Vierte Ton f` 940 kg und die fünfte, die größte Glocke mit dem Schlag Ton d` wiegt stolze 1.600 kg. Leider sind diese Glocken nicht das ursprüngliche Geläut, da diese in den Kriegen für die Herstellung von Kriegsmaterial eingezogen wurden. Von dem Glockenraum führt ein Treppeneitersystem durch die „Turmzwiebel“ bis auf die „Turmlaterne“ in fast 50 m Höhe.
Hier oben angekommen, genießt man einen wunderbaren Blick über das Rhönstädtchen Gersfeld, eingebettet in die bis zu 900 m hohen Gebirgsformationen. Seit über fünfzig Jahren spielen in dieser luftigen Höhe die Gersfelder Turmbläser jeden Sonntag um 9.00 Uhr einige Choräle für die Gemeinde.
Nachdem ich nun das Kirchengebäude in einem „Rundgang“ beschrieben habe, möchte ich nochmals auf die Zeit der Errichtung eingehen.
Vermutlich in der Adventszeit des Jahres 1785 wurde der erste Gottesdienst in der lange noch nicht vollendeten Kirche gefeiert. Erst im Jahre 1790 war der Bau endgültig fertiggestellt, und 1822 konnte der letzte Schuldbetrag getilgt werden. Eine in diesem Jahr erstellte Gesamtkostenaufstellung nennt als Bausumme den Betrag von 46.211,93 fl (Florentiner Gulden). Die weitere Baugeschichte der Kirche kann man als eine Abfolge der von Zeit zu Zeit notwendigen Innen- und Außenrenovierungen bezeichnen. In den Jahren 1885, 1901, 1955, 1962 bis 1963 und zuletzt 1983 bis 1984 wurden diesbezüglich umfangreiche Arbeiten durchgeführt. Im Jahr 2005 sind substanzielle Schäden am Dachstuhl des Kirchenschiffes durch den Hausschwamm und tierischen Befall festgestellt worden. So wurde die Wagner Orgel in den darauffolgenden Jahren durch eine gründliche Restaurierung und Wiederherstellung in ihren weitestgehend ursprünglichen Zustand versetzt. In diesem Zuge wurden auch die Außenfassade und der Innenraum renoviert und in neuen Glanze gebracht.
Für die gesamten Maßnahmen sind Kosten in Höhe von etwa 1.500.000 Euro angefallen. Die Arbeiten wurden im Jahr 2010, zum 225-jährigen Jubiläum der Kirche, abgeschlossen. Die Festpredigt zum Abschluss der Renovierungsarbeiten am 2. Mai 2010 hielt der ehemalige Ratsvorsitzender der EKD, Herr Bischof Huber.
Text: Klaus Grösch
in der revidierten Fassung von 1984